„EU könnte sich zu einem attraktiven Standort für Krypto-Geschäftsmodelle entwickeln“

Rödl & Partner ist einer der international führenden Consulter und eine interdisziplinäre Kanzlei, die Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmens- und IT-Berater sowie Wirtschaftsprüfer unter einem Dach vereint. Wobei – „unter einem Dach“ nur bildlich zu verstehen ist: Das Traditionsunternehmen ist mit 106 Standorten in 46 Ländern vertreten und beschäftigt weltweit mehr als 5.000 Mitarbeiter.

Natürlich sind auch Kryptowährungen ein immer wichtigeres Thema in diesem Geschäftsfeld. Wir durften mit Dr. Beata Pankowska-Lier und Dr. Christian Conreder von Rödl & Partner anlässlich der Dynamiken in der Ukraine ein ausführliches Email-„Doppelinterview“ führen.

Krypto-Monitor: Die Ukraine und Präsident Zelensky gelten als Krypto-freundlich. Aktuell ist ein neues Gesetz in Arbeit, um Rahmenbedingungen für den Kryptohandel zu schaffen. Wie ist der aktuelle Stand? Das Gesetz ist ja noch nicht von Zelensky unterschrieben… 

Dr. Beata Pankowska-Lier und Dr. Christian Conreder: Schwer zu sagen, ob die Ukraine und Präsident Zelensky „Krypto-freundlich“ sind. Die Schaffung eines neuen Gesetzes ergibt sich aus der Tatsache, dass in der Ukraine seit ein paar Jahren Krypto-Währungsgeschäfte getätigt werden und sich dieser Bereich in einer Grauzone befindet, da es bisher keine gesetzlichen Regelungen gibt.

Der geschätzte Umsatz mit Krypto-Währungen in der Ukraine beträgt 1 Milliarde UAH (Hrywna), umgerechnet ca. 30 Millionen Euro, pro Tag; allerdings sind dies keine offiziellen Zahlen. Analysten der Triple-A-Zahlungsplattform bestätigen Ende 2020, dass ca. 12 Prozent der ukrainischen Bevölkerung Kryptowährungen besitzen. Jetzt, Ende 2021, kann diese Zahl natürlich höher liegen.


Am 8. September 2021 hat das ukrainische Parlament ein Gesetz „Über die Legalisierung der virtuellen Vermögenswerte“ verabschiedet. Das Gesetz sollte in Kraft treten, sobald die entsprechenden Änderungen im Steuergesetzbuch ihren Niederschlag gefunden haben.

Präsident Zelensky hat das Gesetz noch nicht unterschrieben und an das Parlament zurückgewiesen. Er schlug auch eine Reihe von Verbesserungen vor. Er ist vor allem gegen die Schaffung einer separaten Regulierungsbehörde für den Umlauf von virtuellen Vermögenswerten. Nach seiner Meinung, die sich auf die Praxis in anderen Ländern stützt, sollten die schon bestehende Aufsichtsbehörden des Finanzmarktes in einem Land den Markt mit virtuellen Vermögenswerten beaufsichtigen. In diesem Zusammenhang kam der Vorschlag, dass die Nationale Kommission für Wertpapiere und Aktienmärkte künftig auch zuständig für die Regulierung des Marktes mit virtuellen Vermögenswerten werden sollte.

Krypto-Monitor: Welche Änderungen am Status quo würde das neue Gesetz bedeuten?

Pankowska-Lier & Conreder: Das Gesetz soll den Markt mit virtuellen Vermögenswerten in der Ukraine regulieren. Das bedeutet, dass ukrainische und ausländische Kryptobörsen in der Ukraine offiziell operieren können. Banken werden in der Lage sein, Konten für Krypto-Unternehmen zu eröffnen. Einkommen aus den virtuellen Vermögenswerten können steuerlich deklariert werden. Außerdem werden Dienstleister, die Krypto-Dienste anbieten, verpflichtet, ihre Eigentumsverhältnisse offenzulegen. Damit wird es auch möglich, eine finanzielle Überwachung durchzuführen. Die Dienstleister werden verpflichtet, die Geldwäsche-Gesetzgebung in der Ukraine zu beachten und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Durch das Gesetz wird auch der Rechtsschutz im Umgang mit Krypto-Währungs-Geschäften erhöht.

„Das bedeutet, dass ukrainische und ausländische Krypto-Börsen in der Ukraine offiziell operieren können. Banken werden in der Lage sein, Konten für Krypto-Unternehmen zu eröffnen.“

Einer der wichtigsten Gründe für die Verabschiedung des Gesetzes ist der steuerliche Aspekt. Bis dato werden keine Steuern aus Transaktionen bezahlt. Zu beachten ist aber, dass das vorliegende Gesetz die Besteuerung der Transaktionen nicht regelt. Die steuerlichen Einnahmen fehlen im Staatsbudget. Dazu sind Änderungen im ukrainischen Steuergesetzbuch erforderlich. Ein entsprechender Entwurf ist noch nicht ausgearbeitet. In der Praxis bedeutet das, dass es noch einige Zeit dauern kann, bis der Markt der virtuellen Vermögenswerte in der Ukraine funktionieren wird.

Krypto-Monitor: Verschiedene europäische Länder wie etwa auch die Schweiz versuchen, Investoren und Fintechs mit klaren Krypto-Regularien anzulocken. Was ist dabei für Investoren am wichtigsten?

Pankowska-Lier & Conreder: Für Investoren ist eine klare Gesetzeslage sehr wichtig. Nur so lässt sich für Investoren feststellen, ob das jeweilige Geschäftsmodell realisierbar und dauerhaft aufrechtzuerhalten ist. Da die technischen Entwicklungen im Krypto-Bereich häufig rasant sind und der Gesetzgeber mit dieser Geschwindigkeit nicht immer Schritt halten kann, sind auch gut ausgestatte Aufsichtsbehörden erforderlich, die zügig eine Verwaltungspraxis kreieren, auf die sich der jeweilige Investor verlassen kann.

Krypto-Monitor: Und was ist wiederum für Konsumenten im jeweiligen Land wichtig, um Kryptowährungen anzunehmen?

Pankowska-Lier & Conreder: Insbesondere für Zahlungen mit Kryptowährungen existiert noch kein Verbraucherschutz, wie er für herkömmliche Zahlungen mit Fiat-Währungen im SEPA-Raum gilt. Wichtig ist aber auch, dass das Vertrauen der Verbraucher in die Akteure der Krypto-Währungen gestärkt wird, dies kann durch Regulierung der Akteure erreicht werden. Hier kann Regulierung für mehr Akzeptanz  sorgen.

Krypto-Monitor: Die Ukraine kämpft mit steigender Inflation. Ist die Annäherung an Kryptowährungen ein Schritt zum El-Salvador-Weg? Bitcoin als Zahlungsmittel, um die Inflation zu stoppen?

Pankowska-Lier & Conreder: Im Gesetz ist ausdrücklich festgelegt, dass die Krypto-Währungen nicht als Zahlungsmittel in der Ukraine eingesetzt werden können. Laut Gesetz dürfen sie auch nicht gegen Dienstleistungen oder Waren eingetauscht werden. Einen „El-Salvador-Weg“, d.h. Bitcoin oder andere Kryptowährungen als Zahlungsmittel anzuerkennen, wird es in der Ukraine voraussichtlich nicht geben.

„Letztlich ist in der Ukraine sehr viel Schwarzgeld im Umlauf.“

Fest steht, dass die ukrainische Währung Hrywna (UAH) seit 2014 kontinuierlich abgewertet wurde (Ausnahme 2019 bis März 2020, als die UAH stärker wurde). Die Inflation ist sehr hoch und die reichen Ukrainer sehen in Anlagen in Krypto-Währungen einen der Wege, ihr Vermögen vor der Inflation zu schützen. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Gewinne nicht versteuert werden. Die Umsätze sind bis dato durch die Finanzaussichtsbehörden nicht oder nur sehr schwer nachvollziehbar. Letztlich ist in der Ukraine sehr viel Schwarzgeld im Umlauf.


Krypto-Monitor: Was würde es für Europa heißen, wenn ein Land wie die Ukraine den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel einführen würde? 

Pankowska-Lier & Conreder: Eine vollständige Umstellung auf Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel ist aus unserer Sicht nur schwer vorstellbar; zumal sich die Ukraine damit aus dem internationalen Swift-Zahlungsverkehr verabschieden würde. Aber auch in Europa selbst existieren Pläne, einen Digitalen Euro zu schaffen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Mitte Juli 2021 den Start eines zweijährigen Projekts zum Digitalen Euro bekanntgegeben. Mit dem gestarteten Projekt gehen die bisherigen Analysen der EZB zum Digitalen Euro (CBDC) in eine neue zweijährige Untersuchungsphase über. Allerdings steht jetzt bereits fest, dass der Digitale Euro das Bargeld nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen würde.

Krypto-Monitor: Wie weit ist die EU von einer einheitlichen Krypto-Politik entfernt? Könnte sich eine gesamteuropäische Lösung abzeichnen- Wo steht das Krypto-Business in Europa in 5 Jahren? Bitte ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario!

Pankowska-Lier & Conreder: Mit dem aktuellen Entwurf für eine Verordnung über Märkte für Krypto-Werte („Markets in Crypto Assets Regulation“ oder „MiCAR“) ist eine europaweit einheitliche Regulierung von Krypto-Werten beabsichtigt. Die Verordnung soll bereits 2022 in Kraft treten und nach einer Übergangszeit in den Mitgliedsstaaten unmittelbar Geltung entfalten.

„Es besteht die Möglichkeit, dass sich die EU durch eine verlässliche und maßvolle Regulierung zu einem attraktiven Standort für Krypto-Geschäftsmodelle entwickelt und die Dominanz der USA und anderer asiatischer Länder in diesem Bereich bricht.“

Die MiCAR soll Transparenz- und Offenlegungsanforderungen für die Ausgabe, bspw. im Rahmen von ICOs, sowie den Handel von Krypto-Werten einheitlich regeln. Des Weiteren soll es Regelungen zur Zulassung und Beaufsichtigung von Anbietern von Krypto-Werten und deren Emittenten geben. Die MiCAR Regelungen sind Chance und Risiko zugleich. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass sich die EU durch eine verlässliche und maßvolle Regulierung zu einem attraktiven Standort für Krypto-Geschäftsmodelle entwickelt und die Dominanz der USA und anderer asiatischer Länder in diesem Bereich bricht. Zum anderen besteht aber auch die Gefahr, dass die Regulierung durch MiCAR zu intensiv ist und die Attraktivität des Standortes EU weiter eingeschränkt wird und andere Länder diese Chance für sich nutzen werden.  

Dr. Beata Pankowska-Lier

Rechtsanwältin und seit 2013 für die ukrainische Niederlassung von Rödl & Partner in Kiew, Ukraine tätig.

Dr. Christian Conreder

Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner; leitet den Bereich Kapitalanlagerecht. Der Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, namentlich in den Bereichen des Kapitalanlagerechts. Weiterhin ist er auf das Zahlungsverkehrsrecht sowie FinTechs und Kryptowährungen spezialisiert.


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Sascha Bém
Artikel: 388
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